Josef Wilfling

Über den törichten Glauben, das Böse existiere nicht: In seinem Hals steckte ein Besen.

Der Mensch ist des Menschen Wolf, wenige Sätze treffen präziser in die 12. Tatsächlich ist der Mensch frei und deshalb muss man bei ihm immer mit allem rechnen. Mich hat in diesem bemerkenswert guten Buch besonders der Fall des Kakaomörders beeindruckt, der wegen 140.000 DM zwei Menschen köpfte, während sie schliefen. Er hatte ihnen vorher Kakao mit Schlafmittel zum Trinken gegeben.

„Wie können Menschen so erbarmungs- und gefühllos, so brutal und und kaltblütig sein, habe ich mich immer wieder gefragt.“ Josef Wilfling führt einfühlsam in ein Thema ein, das einem die Sprache verschlägt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass nur jeder zweite Mord überhaupt entdeckt wird. 85 % der entdeckten Morde wurden von Männern, ca. 15% von Frauen begangen.

JW schildert in diesem Buch wahre Fälle (Namen und Umstände teilweise unkenntlich gemacht) die Mordmerkmale Habgier, Mordlust, Wollust, Heimtücke, Grausamkeit, Gemeingefährlichkeit und Verdeckungsmord. Die Ermittlungsarbeit ist immer Teamarbeit, niemals Schimanski, stellt JW fest und er kann wirklich etwas erzählen, gekonnt und höchst spannend sind die Geschichten formuliert.

Ich konnte mich den Taten und den Recherchen nicht entziehen und habe sie alle gelesen, ein Sammelsurium an Not, Versagen, geringer Bildung, Eifersucht, Habgier und Alleinsein. Schwer vorzustellen, dass eine gebildete Mutter ihrem Kind eine Decke ins Gesicht drückt, weil es ununterbrochen schrie und sie sich den Aufgaben einer Mutter vermeintlich nicht gewachsen sah. Das Kind überlebte und die Mutter war später eine fürsorglich glückliche. Was aber bringt Menschen kurz vor einen Mord, auch wegen vermeintlicher Kleinigkeiten?

Der Lehrmeister von JW sagte ihm: „Wir können gar nichts ausschließen. Nicht einmal, dass morgen die Welt untergeht.“ Geschickt nimmt JW den Leser mit und spielt alle Möglichkeiten durch, besonders wenn an der Tat wenig Sinn macht und man z.B. einen Mord wegen paranoiden Wahnvorstellungen aufklären muss. Oder wenn es reine Mordlust ist, ein sehr seltenes Tatmotiv. „Es gehört zur Kategorie der niederen Beweggründe und ist das Motiv, das am schwersten nachvollziehbar ist, weil es so unbegreiflich erscheint.“ Der Westparkmörder in München war so ein Mensch, dessen Geschichte man mit unglaublichem Staunen verfolgt, auch die Hilflosigkeit von Justiz und Vollzug. Woher kommt reine Bösartigkeit und die Lust am Quälen von Mitmenschen? Tatsächlich schreibt das echte Leben die unwahrscheinlichsten, verrücktesten und skurrilsten Geschichten - unglaublich!… (mere)

Buchinfo
Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden - Josef Wilfling
Taschenbuch - 320 Seiten - ISBN-13: 978-3453601925
Verlag: Heyne Verlag - Erschienen: 11. April 2011 - EUR 8,99
Kurzbeschreibung
Eine junge Frau tötet ihren ehemaligen Liebhaber auf grausame Weise mit einem Besenstiel. Ein Mann ermordet zwei Frauen, um die Aufdeckung seiner kriminellen Machenschaften zu verhindern. Ein Jugendlicher ersticht einen ihm völlig Unbekannten. Aus reiner Mordlust. Das Unfassbare war bei ihm der Normalfall: Der legendäre Mordermittler Josef Wilfling hatte es tagtäglich mit Menschen zu tun, die Ungeheuerliches getan oder erlebt haben. Jetzt erzählt er seine spektakulärsten Fälle, schildert Tathintergründe, gibt den Blick in seelische Abgründe frei und zeigt: Die Wirklichkeit ist packender als jeder Krimi.
Bewertung
In diesem Buch bleibt einem nichts erspart. Alles, was unmenschlich ist und was man sich mit normalem Verstand nicht vorstellen kann, wird hier geschildert. Die allertiefsten menschlichen Abgründe bekommt der Leser vom Autor aufgezeigt. Wilfling schreibt schonungslos, authentisch und erspart uns nichts. Dennoch wird nichts übertrieben oder subjektiv dargestellt. Der Mann ist bescheiden und offen und das liest man in jeder Zeile dieses Buches. Manche Situationen, Menschen, Dinge werden freilich bewertet, doch niemals ist Wilfling dabei anmaßend, angeberisch oder arrogant. Die grausamen Fälle hängen dem Leser natürlich nach und das Buch ist nichts für zarte Gemüter.… (mere)