Dieter Schenk

Vorwort: Ein außergewöhnlicher Mann übernahm 1971 den Chefsessel im Bundeskriminalamt (BKA). Er war in Nürnberg nacheinander Staatsanwalt, Richter, Leiter der Kripo und Polizeipräsident gewesen, und es eilte ihm ein bundesweiter Ruf als "Kommissar Computer" voraus. Tatsächlich hat Herold die Arbeit der Polizei revolutioniert, große Erfolge in der Terrorismusbekämpfung erzielt und mit seinen Visionen das BKA zur seinerzeit weltweit modernsten Zentrale der Verbrechensbekämpfung gemacht. Als im Entführungsfall Schleyer das Versteck des Opfers nicht gefunden werden konnte, wurde Herold vom Sockel gestoßen, auf den ihn Politiker und Journalisten gehoben hatten. Er geriet in die Kritik: Mittels EDV wolle er den gläsernen Menschen schaffen und mit seiner Rasterfahndung den Weg in den orwellschen Überwachungsstaat bereiten. Schließlich wurde er 1981 von Innenminister Baum entlassen. Das Buch vergegenwärtigt auf dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Kontroversen, welche die Bundesrepublik in den siebziger Jahren erschütterten, die wichtigsten Lebensstationen des BKA-Chefs, ohne ihn zu dämonisieren, unter kritischer Auseinandersetzung mit seinen, von manchen als genial bezeichneten, Ideen. Ich habe Horst Herold für Gespräche und Einsicht in seine Unterlagen herzlich zu danken. Herolds Wunsch, sein Privatleben weitgehend auszuklammern, habe ich respektiert. Wegen dieser Einschränkung handelt es sich beim vorliegenden Werk nicht um eine Biographie im klassischen Sinne. Es gibt eine Übereinkunft zwischen Dr. Herold und mir, daß er das Buchmanuskript weder gegenliest noch bewertet oder korrigiert. Also auch nicht autorisiert. Im übrigen wollte sich Herr Herold den Weg für eine eigene Publikation offenhalten, wenngleich er betont, daß er eine solche Absicht jedenfalls zur Zeit nicht hege. Ein Jahr bevor Herold das Bundeskriminalamt verließ, war ich dorthin versetzt worden. Ich hatte aber in meiner Funktion als Berater des Auswärtigen Amtes für die Sicherheit der deutschen Botschaften keine dienstliche Berührung mit ihm. Deshalb, und weil meine kritische Position gegenüber dem BKA allgemein bekannt ist., glaube ich unbefangen über ihn schreiben zu können. Ich darf behaupten, das BKA zu kennen. Die Höhepunkte der Terrorismusbekämpfung erlebte ich allerdings in den siebziger Jahren als Kripochef im Polizeipräsidium Gießen. Schon deshalb ist das Buch auch eine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Biografie. Horst Herold hat mich als Autor akzeptiert, weil ich die polizeifachlichen Zusammenhänge besser beurteilen kann als ein berufsfremder Verfasser. Ich habe aber nicht nur meine eigene Erfahrung und meine Gespräche mit Horst Herold aufgearbeitet, sondern zahlreiche Interviews geführt. Einige wenige Gesprächspartner mit Insider-Kenntnissen aus dem Bereich der inneren Sicherheit haben mich darum gebeten, ihre Anonymität zu wahren. Sechzig interviewte Zeitzeugen aus den Gebieten Politik, Polizei, Wissenschaft und Terrorismus bieten ein breites Spektrum, Horst Herold zu charakterisieren, und ermöglichen es, Schlußfolgerungen mehrfach durch andere Quellen abzusichern, so daß eine hohe Authentizität erreicht wird. Diesen Gesprächspartnern, von denen nicht wenige aus Respekt vor dem ehemaligen BKA-Chef ihr Wissen zur Verfügung gestellt haben, sage ich Dank ; sie sind nachfolgend mit der Funktion aufgeführt, die sie im Berichtszeitraum hatten:...… (mere)